Eine Stimme geben

Interessenvertretung

Die Lost Voices Stiftung vertritt als eine der Patientenorganisationen in Deutschland die Anliegen von schätzungsweise 250.000 an ME/CFS erkrankten Menschen in Deutschland gegenüber Politik, Öffentlichkeit und anderen Akteuren.

Wir suchen konstruktive Gespräche mit der Landes- und Bundespolitik, um auf die unzureichende Versorgungssituation von Betroffenen hierzulande hinzuweisen und Veränderungsprozesse anzustoßen. Als Patientenorganisation begleiten wir fachlich die Überarbeitung von Leitlinien und setzen uns für eine adäquate medizinische, soziale und pflegerische Versorgung von ME/CFS-Betroffenen ein. 

Lage in Deutschland

Mangelnde Informationen

Die Krankheit ist vielen Ärzten unbekannt. Sie ist in der Regel nicht Bestandteil der universitären Ausbildung. Internationale Forschung fließt nicht in ärztliche Fortbildungen ein. ME/CFS ist aufgrund mangelnder Kenntnisse der Ärzte massiv unterdiagnostiziert (schätzungsweise nur 10 Prozent erhalten eine Diagnose), was für Betroffene oft jahrelange Ärzteodysseen zur Folge hat und oft zu Stigmatisierung führt. Psychiatrische Fehldiagnosen mit potenziell schädigenden Therapien wie Verhaltenstherapie oder körperliche Aktivierung sind weit verbreitet. Zu psychiatrischen Fehleinstufungen trägt auch der hierzulande verwendete Begriff „Chronisches Erschöpfungssyndrom“ bei, der falsche Assoziationen mit Burnout oder Depressionen auslöst.

Keine adäquate medizinische, pflegerische und soziale Versorgung

Aufgrund von Unkenntnis oder Fehleinstufung im Gesundheitssystem gibt es so gut wie keine spezifische medizinische kassenärztliche Versorgung. Es existiert keine adäquate medizinische Versorgung in Deutschland gemäß der WHO-Klassifikation G93.3: Nur eine Ambulanz an der Charité und an der Technischen Universität München sowie wenige Privatärzte sind verfügbar. Versorgungszentren für schwer Erkrankte fehlen ganz. Viele ME/CFS-Erkrankte sind oft mit langjährigen Kämpfen um Sozialleistungen, Anerkennung der Erwerbsunfähigkeit oder Bewilligung der Pflegestufen konfrontiert. Fehlende Informationen über ME/CFS in Schulen und Bildungseinrichtungen führen sogar zu unangemessenen Kinderschutzverfahren gegen die Eltern schulpflichtiger Kinder, die aufgrund der Erkrankung oft oder über einen längeren Zeitraum nicht zur Schule gehen können. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin und andere Fachgesellschaften legen fälschlicherweise ein biopsychisches Krankheitsmodell zugrunde und sehen ME/CFS als Extremform von Müdigkeit, die durch Dekonditionierung zu erklären ist. ME/CFS muss aber endlich als eine immunologische und organische Erkrankung betrachtet werden.

Große Forschungslücken

Es gibt kaum biomedizinische Forschung in Deutschland (Ausnahme Charité Universitätsmedizin Berlin und Immundefekt-Ambulanz der Technischen Universität München und Universität Würzburg). Die internationale Einstufung als schwere chronische und organische Erkrankung ist nicht bekannt bzw. wird ignoriert. Die Ergebnisse der internationalen Forschung werden kaum zur Kenntnis genommen. Noch immer werden Studien mit ungenauen Kriterien durchgeführt (Vermischung mit psychischen Krankheiten), die dennoch ME/CFS zugeschrieben werden. ME/CFS-Erkrankte und ihre Angehörigen warten verzweifelt auf biomedizinische Forschung. Weltweit versuchen sie und die wenigen privaten Stiftungen, die Forschung zu finanzieren und voranzutreiben.

Unsere zentralen Positionen 

  • Anerkennung von ME/CFS als schwere organische Erkrankung
  • Spezialisierte Ambulanzen und Versorgungszentren an jeder Universitätsklinik – ambulant wie stationär
  • Entwicklung eines Versorgungskonzepts für Schwerstkranke und bettlägerige Patientinnen und Patienten
  • Schulmedizinische Versorgung: flächendeckende ambulante Grundversorgung in Arztpraxen
  • Finanzielle Förderung der biomedizinischen Forschung und klinischer Studien
  • Entwicklung eigener Leitlinien und Streichung von kontraindizierten Aktivierungstherapien

Konkrete Forderungen

Umfassende Schulungsprogramme für Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte, weiteres medizinisches Personal, Sozialarbeiter/innen und Mitarbeiter/innen in Bildungseinrichtungen z.B. über Webinarmodule und Fachtagungen mit Fortbildungspunkten wie in anderen Ländern (z.B. in den USA das Centers for Disease Control and Prevention und das National Institutes of Health).

Zurverfügungstellung von öffentlichen Mitteln zur Erforschung des Krankheitsbildes für Prävalenzstudien, Grundlagenforschung insbesondere biomedizinische Forschung und Versorgungsforschung – nur noch bei Berücksichtigung des internationalen Konsensdokumentes.

Um eine einheitliche Patientenkohorte zu gewährleisten, empfehlen wir dringend die Verwendung des Kanadischen Konsensdokumentes bzw. das Internationale Konsensdokument für alle Forschungsmaßnahmen. Nur so kann eine hohe Studienqualität erreicht werden. Ein gutes Beispiel für dieses Vorgehen findet sich im Scottish Good Practice Statement on ME/CFS.

Breite Konsensdebatte unter Berücksichtigung von internationalen Studien, z.B. in Form von runden Tischen sowohl auf Landes- als auch Bundesebene seitens des Bundesministeriums für Gesundheit, des Robert-Koch-Instituts und des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWiG.

Klinische Anlaufstellen, z.B. in Form von Ambulanzen nach § 116B SGB V, und speziell für dieses Krankheitsbild eingerichtete Klinikbetten an jeder großen deutschen Universitätsklinik.

Aktive Einbindung der Patientenorganisationen als kompetente Ansprechpartner mit Expertise bezogen auf die Lebensrealität von Betroffenen. Ein Vorgehen, das bereits heute als Empfehlung für Leitlinienfindung gilt, und als übliche Praxis bei vergleichbaren Krankheitsbildern wie z.B. MS durchgeführt wird.

Leitlinie „Müdigkeit“

Stellungnahme zur Leitlinie „Müdigkeit“ (2018):
Die Lost Voices Stiftung nahm 2018 als Teil des Bündnisses ME/CFS am Befragungsverfahren der DEGAM teil. Leider wurde auch in diesem Prozess deutlich, dass überhaupt kein Interesse bestand, die aktuellen internationalen Forschungserkenntnisse zu berücksichtigen und damit das Krankheitsbild ME/CFS adäquat einzuschätzen. Da unsere Abstimmungen und Empfehlungen bei der Überarbeitung der Leitlinie „Müdigkeit“ mit der DEGAM nicht vorkamen, haben wir diese in unserer Stellungnahme zur Leitlinie aufgenommen.

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