Erfurt, 9. März 2023. Am gestrigen Donnerstag fand eine öffentliche Anhörung von medizinische Expert:innen und einschlägigen Betroffenenverbänden im Gesundheitsausschuss des Thüringer Landtags statt. Ziel war es, den dringenden politischen und medizinischen Handlungsbedarf hinsichtlich ME/CFS zu erörtern. ME/CFS ist eine schwere neuro-immunologische Erkrankung, die meist nach Virusinfekten wie Sars-CoV-2 auftritt. Die Anhörung geht auf den wegweisenden Antrag der Freien Demokraten im Thüringer Landtag unter Führung von Robert-Martin Montag MdL zurück. Der Antrag mit dem Titel „Das stille Leiden an ME/CFS beenden“ fordert eine bessere Versorgung, Erforschung und Aufklärung hinsichtlich der postinfektiösen Multisystemerkrankung ME/CFS.
„Die Versorgungslage der ME/CFS-Erkrankten in Deutschland ist verheerend“, heißt es von Seiten der Patientenorganisationen. Die Erkrankung führt zu einem hohen Grad körperlicher Beeinträchtigung bis hin zur Bettlägerigkeit und Pflegebedürftigkeit. Bislang ist das Krankheitsbild in Medizin und Öffentlichkeit wenig bekannt und es gibt in Folge mangelnder Forschung keine kurative Behandlung. Der dringende politische und medizinische Handlungsbedarf konnte bei der Anhörung im Thüringer Landtag eindrücklich vermittelt werden. „Die Anhörung weckt Hoffnung auf eine Verbesserung der prekären Versorgungslage. Nun bedarf es einer zeitnahen Umsetzung des geforderten Maßnahmen-Dreischritts aus Aufklärung, Forschung und Versorgung durch die Thüringer Landesregierung“, so die Patientenvertreter:innen. „Letzteres schließt auch die Entwicklung individualisierter Beschulungskonzepte für ME/CFS-erkrankte Kinder und Jugendliche ein.“
Erste Beobachtungsstudien lassen erkennen, dass 20 Prozent aller Post-COVID-Erkrankten das Vollbild ME/CFS entwickeln, sodass mit einem deutlichen Anstieg der Patientenzahlen zu rechnen ist. Kernsymptom von ME/CFS ist die Belastungsintoleranz, die zu einer Verschlechterung aller Symptome nach physischer oder kognitiver Anstrengung führt. Für die zahlreichen Betroffenen gibt es mit der Charité Berlin und der TU München deutschlandweit nur zwei spezialisierte Ambulanzen. Betroffene aus Thüringen und anderen Bundesländern können sich dort nicht vorstellen. Bei der Anhörung wurden daher verschiedene Optionen zur Verbesserung der Versorgung diskutiert, darunter die Einrichtung eines Mitteldeutschen Kompetenzzentrums und einer Ambulanz am UK Jena sowie die flächendeckende Aufklärung von Ärzt:innen. Auch der Bedarf aufsuchender und telemedizinsicher Versorgungsangebote für immobile und bettlägerige ME/CFS-Erkrankte wurde verdeutlicht.
Den Auftakt bei der Anhörung machten Prof. Stallmach (UK Jena) sowie die Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen. Die Patientenseite wurde vertreten durch Fatigatio e.V. – Bundesverband ME/CFS, Deutsche Gesellschaft für ME/CFS, Lost Voices Stiftung sowie POTS und andere Dysautonomien e.V. Die medizinische Perspektive wurde durch Dr. Vilser (AMEOS Klinikum St. Neuburg) und Dr. Hohberger (UK Erlangen) abgebildet. Auch Prof. Scheibenbogen (Charité Berlin) und Prof. Behrends (TU München) waren als ME/CFS-Expertinnen geladen und konnten eine fundierte Stellungnahme abgeben.
Im Namen der mehr als 250.000 Menschen in Deutschland, die bereits vor Pandemiebeginn an ME/CFS erkrankt sind, sowie im Namen aller Post-COVID-Betroffenen unterstützen wir den Antrag der Thüringer FDP-Fraktion und unterstreichen dessen Dringlichkeit. Wir bedanken uns für die Möglichkeit zur Stellungnahme und hoffen auf eine schnelle Umsetzung des Antrags im Interesse der Betroffenen.