Die Lost Voices Stiftung feierte am 29. Oktober 2022 ihr zehnjähriges Bestehen. Eindrücke von unserer Jubiläumsfeier und dem Netzwerktreffen für Ärzt:innen und Forschende.
Vor rund zehn Jahren wurde die Lost Voices Stiftung gegründet. Hat sich die Situation für Menschen mit ME/CFS verändert? Wie ist der aktuelle Stand der Forschungsförderung und in der Gesundheitspolitik? Mit Gästen aus Wissenschaft, Ärzteschaft, Politik, Organisationen sowie Betroffenen und Angehörigen beleuchtete die Lost Voices Stiftung in Hannover die verschiedenen Themen und aktuelle Fragen.
Nicole Krüger, der Vorsitzenden der Lost Voices Stiftung, zählte in ihrer Rede die verschiedenen Erfolge und auch Rückschläge auf. Auch wenn die Stiftung relativ klein sei, konnte diese in den letzten Jahren Stipendien im Wert von rund 180.000 Euro vergeben. Die Lost Voices Stiftung fördert seit 2017 mit ihrem Stipendienprogramm junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zu ME/CFS forschen.
Burkhard Jasper, MdL von der CDU in Niedersachsen, der die Schirmherrschaft für die Jubiläumsveranstaltung übernahm, betonte im Rahmen seiner Grußworte, wie wichtig das gesundheitspolitische Wirken von Organisationen wie der Lost Voices Stiftung sei. Trotz der aktuellen Herausforderungen auf der Landesebene sei es wichtig weiterzumachen.
Jutta Paulus, Mitglied des Europäischen Parlaments der Fraktion „Die Grünen/Europäische Freie Allianz“ sowie der Bundestagsabgeordneter der CSU Bayern, Erich Ilsdorfer, gratulierten der Stiftung auf dem digitalen Wege zum Jubiläum und äußerten ihre Unterstützung für die Anliegen von Menschen mit ME/CFS zu.
Vor der eigentlichen Feier fand ein Netzwerktreffen zum Thema „ME/CFS und Post-Covid: Wissen vernetzen!“ für Ärzt:innen und Forschende statt. Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, Charité Universitätsmedizin Berlin, sowie von Prof. Dr. Uta Behrends, TU München Kinderklinik Schwabingen, boten in ihren Fachvorträgen Einblicke in die Epidemiologie sowie dem klinischen Bild von ME/CFS und stellten die verschiedenen Studien vor, die aktuell gefördert werden.
In ihrem Impulsvortrag „ME/CFS bzw. Long Covid aus Sicht des Sozialrechts“ betonte die Fachanwältin für Sozialrecht, Bettina Maurer, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen der Forschung und dem Sozialrecht sei, um die funktionellen Auswirkungen von ME/CFS besser beurteilen zu können. Bevor ein Antrag gestellt werde, sei die Nutzung eines Pflegegradrechners im Internet empfehlenswert, um die eigenen Chancen besser einschätzen zu können.
Die Moderatorin und Redakteurin, Maria Jeszke, führte durch die Jubiläumsveranstaltung und diskutierte mit den Podiumsgästen. In zwei Podiumsrunden verdeutlichten die Professorinnen Uta Behrends, Martina Seifert und Carmen Scheibenbogen sowie die durch die Stiftung geförderten Stipendiatinnen und Stipendiaten ihre Motivation zu ME/CFS zu forschen und gaben Einblick in ihre Forschung.
Die Stipendiatinnen Sarah Hubmann und Alissa Kircher von der Forschungsgruppe an der TU München von Prof. Uta Behrends sowie Diana Boristowski und Kanchan Dulal von der Forschungsgruppe an der Charité von Prof. Martina Seifert stellten ihre Forschungsarbeiten vor. Im zweiten Podiumsgespräch erläuterten die jungen Forschenden Milan Haffke, Antonia Nowicki, Bianka Jäkel und Elisabeth Petter von der Forschungsgruppe an der Charité von Prof. Carmen Scheibenbogen ihre Forschung. Da der Pathomechanismus von ME/CFS komplex ist, konzentrieren sich die einzelnen Forschungsarbeiten auf einzelne Aspekte, um beispielsweise zu einer verbesserten Diagnose sowie einem erweiterten Verständnis für die Störung der Gefäßfunktion bei ME/CFS-Erkrankten beizutragen.
Darüber hinaus hatte das Publikum Gelegenheit während der Veranstaltung die Forschungsarbeiten in Form von einer Posterausstellung genauer zu betrachten.
Der Kontakt zu den Patientinnen und Patienten zeige Martina Seifert, wie schwer die Erkrankung sei. Es motiviere sie, ihr Bestes zu geben sowie ihre Kraft dafür einzusetzen – durch Forschung, Betreuung von jungen Forschenden und die Weitergabe dieses Wissens sowie der Motivation.
Laut Uta Behrends hätte die Pandemie mehr Bewusstsein für postinfektiöse Krankheiten gebracht. Auf die Frage, warum die Situation bei ME/CFS sich immer noch nicht nachhaltig verändert habe, sagte Uta Behrends „Es ist immer ein Problem, wenn Dinge kompliziert sind. Im Medizinsystem scheuen sich die Leute Geld auszugeben, wenn es knapp ist. Es wird gerne da ausgegeben, wo es einfach ist.“ Ihre Erfahrung aus der Kinderonkologie lehre sie aber trotzdem hoffnungsvoll zu sein. Es lohne sich interdisziplinär zusammenzuarbeiten. Mit den entsprechenden Mittel ließen sich nachhaltige Fortschritte erzielen.
Vor rund 15 Jahren habe Carmen Scheibenbogen die Immundefektambulanz übernommen. Im Vergleich zu früher sei sie heute nicht mehr alleine. Die nächsten Meilensteine stellen Therapiestudien dar. Allerdings sei der Weg dahin noch mit vielen Herausforderungen verbunden. Trotz eines enormen Forschungsrückstand sei die Professorin dennoch zuversichtlich, dass mit entsprechenden finanziellen Mittel ME/CFS eines Tages behandelt werden kann. „Eigentlich sind wir nicht so weit weg davon. Es ist jetzt entscheidend die Forschung voranzutreiben.“
Es wurden im Anschluss an alle Stipendiatinnen und Stipendiaten Urkunden überreicht.
Der mit 1.000 Euro dotierte Ehrenpreis der Stiftung ging dieses Jahr an Prof. Dr. Uta Behrends. Simon Gramlich vom Vorstand der Lost Voices Stiftung überreichte der Professorin den Ehrenpreis für ihr wissenschaftliches Engagement. Die Stiftung dankte mit dieser Auszeichnung Professorin Behrends für das langjährige Engagement in der Erforschung von ME/CFS und der Versorgung von schwererkrankten Menschen.
Ein besonderes Geschenk überbrachte Ulrich Siegmund. Er überreichte einen Scheck an Simon Gramlich von der Stiftung. Das Benefizkonzert vom 22.10.22 in Bad Münder, das zugunsten der Lost Voices Stiftung stattfand, erzielte eine Spendensumme in Höhe von 3.100 Euro. Ganz herzlichen Dank dafür!
Am Ende der Feier bedankte sich Nicole Krüger ganz herzlich bei den Helferinnen und Helfern, ohne die die Durchführung dieser Veranstaltung nicht möglich gewesen wäre!
Dr. Peter Frodl sowie die beiden Professorinnen Behrends und Scheibenbogen ließen es sich nicht nehmen, das große Engagement von Nicole Krüger zu würdigen.
Zum Abschluss wurde das Lied „Hear the Lost Voices“ von Frauke Bielefeldt gespielt.
Weitere Impressionen sind in der Fotogalerie zu finden:
Fotos: ©Lost Voices Stiftung/ Daniel Kouvaris