Langzeitfolgen nach Infektionen sind bereits seit vielen Jahren bekannt, allerdings kaum erforscht. Ein interdisziplinärer Zusammenschluss unter Leitung von Forschenden der Charité – Universitätsmedizin Berlin soll nun klären, was der komplexen neuroimmunologischen Erkrankung Myalgische Enzephalomyelitis/ Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) auf molekularer Ebene zugrunde liegt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Arbeiten in den kommenden drei Jahren mit rund zwei Millionen Euro.

ME/CFS ist eine schwerwiegende, chronische Erkrankung mit unterschiedlich ausgeprägten körperlichen und geistigen Symptomen. In der aktuellen COVID-19-Pandemie zeigt sich, dass eine Untergruppe der Long-COVID-Betroffenen ebenfalls an ME/CFS erkrankt.

Die genauen Mechanismen, die zur Erkrankung führen, sind bis heute ungeklärt. Jüngste Studien weisen auf autoimmune Prozesse und eine Fehlregulation des vegetativen Nervensystems sowie des zellulären Energiestoffwechsels hin. Doch noch immer fehlen zugelassene und wirksame Behandlungsmöglichkeiten, ebenso verlässliche Biomarker, messbare Werte in Blut oder Serum, die zur Diagnose der Erkrankung eingesetzt werden können. Dies zu ändern, hat sich das aktuelle Vorhaben mit dem Namen IMMME – IMune Mechanism of ME zum Ziel gemacht. Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen, kommissarische Direktorin des Instituts für Medizinische Immunologie am Charité Campus Virchow-Klinikum, ist seit vielen Jahren mit dem Krankheitsbild ME/CFS befasst. Sie leitet die Immundefekt-Ambulanz sowie das Fatigue Centrum an der Charité und nun auch das interdisziplinäre Forschungsnetzwerk IMMME. „Ich freue mich sehr über die Förderung dieses Verbundprojekts und darüber, es mit einem Team von Expertinnen und Experten für ME/CFS, COVID-19 und Immunsystem bearbeiten zu dürfen. Es kommt zur richtigen Zeit, denn das Thema postinfektiöse Erkrankungen hat in Folge der Pandemie eine neue Dimension bekommen“, sagt Prof. Scheibenbogen. „Es ist das erste Mal, dass nun ein Forschungsnetzwerk zu ME/CFS in Deutschland gefördert wird.“

Das neue Forschungsnetzwerk geht in fünf Teilprojekten unter anderem der Frage nach, welche Rolle einzelne Autoantikörper und kreuzreagierende Virus-Antikörper bei der Symptomatik spielen. Grundlage der umfassenden Analysen sind gut charakterisierte biologische Proben aus einer gemeinsamen ME/CFS-Biobank. Unterschiedliche Parameter werden innerhalb der einzelnen Projekte gesammelt und zusammen in einer Datenbank ausgewertet. Ziel der Arbeiten ist es, erstmals eine systematische, umfassende Grundlage für diagnostische Marker zu schaffen. Insbesondere hoffen die Forschenden, dass es gelingt, Strukturen zu identifizieren, die als Grundlage für gezielte Therapieansätze der Autoimmunerkrankung dienen.

Die Lost Voices Stiftung gehört diesem interdisziplinären Zusammenschluss als beteiligte Patientenorganisationen an und vertritt die Interessen von Menschen mit ME/CFS.
Im Rahmen des Stipendienprogramms der Stiftung wird die Forschung zu postviralen Krankheiten am Charité Fatigue Centrum in Berlin und dem MRI Chronische Fatigue Centrum für junge Menschen der Technischen Universität München gefördert.

Pressemitteilung der Charité